Was ist Poka-Yoke?
Poka-Yoke, “ポカヨケ” (ausgesprochen poh-kah-yoh-keh), bedeutet im japanischen Fehlervermeidung oder Irrtumsschutz. Dabei handelt es sich um eine Lean-Methode, die das Eintreten von Fehlern verhindert, indem ein Vorgang oder eine Aktivität fehlersicher (“narrensicher”) gestaltet wird. D. h., der Prozess wird wohldefiniert standardisiert.
Lean Projektmanagement lehrt uns, dass man, um Kosten zu senken, nicht vorrangig in die Qualität der Arbeitsausführung investieren sollte, sondern vielmehr Qualität hineindesignen sollte. Aber wie? Indem eine Umgebung geschaffen wird, die alle erforderlichen Elemente enthält, um einen Prozessschritt korrekt auszuführen. Ferner, indem Mechanismen eingebaut werden, die einen aufgetretenen Fehler unverzüglich anzeigen, wenn er auftritt, und nicht einige Prozessschritte später.
Die Einführung von Poka-Yoke in diesen beiden Formen glättet nicht nur die Prozessabläufe, sondern trägt auch dazu bei, die Verhaltensmuster der Mitarbeiter zu verändern. Es lehrt sie, die Arbeit in dem Moment zu unterbrechen, in dem sie einen Fehler bemerken. Dies kann langfristig die Einstellung der Belegschaft verändern, sich primär auf die Qualität zu konzentrieren – sie wird zu ihrer zweiten Natur. So ähnlich wie ein Text, den Sie online schreiben und der automatisch einer Rechtschreibprüfung unterzogen wird, zur Gewohnheit werden kann, jeden Text, den Sie offline schreiben, ebenfalls einer Rechtschreibprüfung zu unterziehen.
Prüfen sie keine Qualität hinein, bauen Sie sie ein!
Das Toyota-Produktionssystem (TPS), später von MIT-Wissenschaftlern in “Lean” umbenannt, orientiert sich stark an den Lehren von W. Edwards Deming. Er bereiste Japan und beeinflusste die dortige Wirtschaft mit seiner Arbeit tiefgreifend.
Überwacht jemand eine Produktionslinie und prüft Erzeugnisse auf ihre Qualität, dann, so Deming, sei der Schaden zu dem Zeitpunkt, zu dem die Fehlerursache gefunden wird, bereits eingetreten und Fehlerkosten entstanden. Gemäß der Zehner-Regel steigen die Kosten für die Reparatur jedes Mal um Faktor zehn, wenn das fehlerhafte Teil unentdeckt einen Qualitätssicherungsschritt durchläuft. Es ist weitaus effizienter, dafür zu sorgen, dass Fehler gar nicht erst auftreten können, indem die Fehler verhindert, unmittelbar behoben oder zumindest unverzüglich darauf aufmerksam gemacht werden.
Toyota war wahrlich gesegnet mit einigen der hellsten Köpfe dieses Jahrhunderts, und Shigeo Shingo war einer von ihnen. Er dokumentierte nicht nur das TPS für westliche Fachkollegen, sondern beschäftigte sich auch eingehend mit der Qualität der Produktionslinie. Von ihm stammt die Poka-Yoke-Methode, die auch heute noch Bestand hat und in unserem Alltag präsent ist.
Wie sieht Poka-Yoke in der Praxis aus?
Wir sind mittlerweile an viele Fehlervermeidungsmethoden gewöhnt, dass wir sie kaum noch wahrnehmen. Denken Sie aber einmal ein paar Jahre zurück: Es war nicht ungewöhnlich, ein Formular vollständig auszufüllen und auf “Abschicken” zu klicken, um dann die Mitteilung zu bekommen, dass Sie etwas falsch ausgefüllt hätten und von vorne anfangen müssten. Heute verfolgen integrierte Algorithmen die Bearbeitung in Echtzeit, um sofort mitzuteilen, ob ein Feld korrekt ausgefüllt wurde oder nicht. Oft wird das Eingabefeld so gestaltet (z. B. als Datumsformat), dass Sie keine andere Wahl haben, als es beim ersten Mal korrekt auszufüllen!
Weitere Beispiele sind: Beim Automatikgetriebe eines Pkws muss das Getriebe vor dem Anlassen des Motors auf “Parken” gestellt werden, um unkontrollierte Bewegungen des Fahrzeugs zu vermeiden; Aufzugtüren schließen sich nicht, wenn ein Hindernis im Türdurchgang erkannt wird; Überlauföffnungen in Waschbecken und Badewannen verhindern Überschwemmungen usw.
Angesichts der Schlichtheit von Poka-Yoke-Lösungen im Prozessmanagement besteht manchmal die Gefahr, dass sie vom Management ignoriert werden. Ein guter Prozessmanager wird jedoch erkennen, dass die einfachsten Lösungen vielfach die besten sind.
Die wichtigsten Merkmale einer guten Poka-Yoke-Lösung sind:
- Einfachheit – und damit i. d. R. niedrige Implementierungskosten,
- Sicherheit – Grundvoraussetzung für die Nutzung der Lösung,
- Automatisierung – ein Poka-Yoke-Mechanismus muss vollständig oder teilweise automatisiert sein, um keine zusätzliche Arbeit zu verursachen oder weitere Fehlermöglichkeiten zu fördern,
- Rückkopplung – Fehlersicherungswerkzeuge müssen über eingebaute Rückkopplungsschleifen verfügen, sodass die Informationen der Fehlererkennung zusammen mit ihrer Art, Lage und ihren Besonderheiten automatisch an den Bediener weitergeleitet werden.
Kanban-Boards für das Projektmanagement haben ebenfalls das Poka-Yoke-Konzept integriert: Sobald Sie Ihr Work-In-Progress Limit für einen bestimmten Arbeitsschritt festgesetzt haben, informiert Sie das Board darüber, wenn Sie mehr Aufgaben zur Bearbeitung in den Arbeitsschritt ziehen als erlaubt sind.
Auch sollte Poka-Yoke in der Praxis mit anderen Ihrer Kanban-Aktivitäten wie Kaizen und Gemba zusammenarbeiten. Sie steigern nicht nur Ihre Qualität und sorgen für eine kontinuierliche Verbesserung, sondern schulen auch Ihre Mitarbeiter, erweitern ihre Fähigkeiten und erhöhen die Sicherheit am Arbeitsplatz.
Neben den Produktivitätsverbesserungen durch weniger Mängel wird dadurch auch Stress im Team verringert, was wiederum die Effizienz und nicht zuletzt die Arbeitszufriedenheit steigert.
Wussten Sie schon?
Sie können detaillierte Checklisten, Abhängigkeiten und benutzerdefinierte Prozessautomatisierung in Ihren Kanban Tool® Boards integrieren, um den Ablauf rundum fehlersicher zu machen! Probieren Sie es aus und überzeugen Sie sich von den möglichen Zeit- und Energieeinsparungen!
Wie setzt man Poka-Yoke ein?
Insgesamt ist Poka-Yoke eine unkomplizierte Methode zur Verbesserung eines Prozesses durch proaktive Beseitigung von Fehlern. Durch die Verwendung dieser Methode reduzieren Sie die Zeit, die Sie für die nachträgliche Fehlersuche und -beseitigung aufwenden müssen, ebenso wie der Zeitaufwand für die Kontrolle und Schulung der Mitarbeiter. Darüber hinaus fördert sie aktiv die Denkweise bezüglich der kontinuierlichen Verbesserung auf allen Organisationsebenen. Es kann Ihre Prozesseffizienz deutlich steigern und verhindern, dass fehlerhafte Produkte den Weg zum Kunden finden!
Befolgen Sie diese Schritte, um es auf Ihren Prozess anzuwenden:
Schritt 1: Legen Sie den Prozessschritt fest, der fehlersicher gemacht werden soll
Sie wissen nicht, wo Sie anfangen sollen? Beginnen Sie entweder an der fehleranfälligsten Station bzw. Prozessstufe oder verwenden Sie die Wertstromanalyse, um zu ermitteln, welcher Prozessschritt und damit welche Art von Fehlern den größten Einfluss darauf haben, wie Kunden Ihr Produkt sehen und nutzen können. Grundsätzlich jedoch gilt: Ihre Poka-Yoke-Maßnahme soll genau an dem Arbeitsschritt implementiert werden, an dem ein zu vermeidender Fehler verursacht wird.
Schritt 2: Identifizieren Sie potenzielle Fehler
Verwenden Sie historische Daten über Ihren Prozess, setzen Sie die 5 Why-Methode ein oder machen Sie einen Gemba Walk, um Einblicke der Mitarbeiter zu gewinnen, was an einer Arbeitsstation typischerweise schiefläuft bzw. schieflaufen kann.
Schritt 3: Legen Sie fest, wie für jeden definierten Fehlerpunkt vorzugehen ist
Sie sollten:
- das Auftreten des Fehlers verhindern,
- einen Mechanismus implementieren, der den Fehler sofort behebt, wenn er auftritt, oder, wenn eine Verhinderung nicht möglich ist,
- einen Erkennungsmechanismus (z. B. ein Andon - “Signal”) verwenden, der den Arbeiter auf das Problem aufmerksam macht.
Schritt 4: Planen, Implementieren und Testen der Lösung
Wie Sie dies umsetzen, hängt von dem jeweiligen Prozess ab. Sie können digitale Andons, Signalleuchten, automatische Schalter, Informationskarten, Kanban-Board-Automatisierung, E-Mails, Anrufe, kundenspezifische Hardware und Software-Programme verwenden. Die Möglichkeiten sind endlos. Doch manchmal nützt in der Praxis die beste Theorie nichts. Deshalb sollten Sie im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung jede Poka-Yoke-Lösung testen und den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, Ihnen jederzeit ihre Ansichten zur Funktionsweise mitzuteilen.
Schritt 5: Regelmäßige Überprüfung der Systeme
Und wie immer bei Kanban: You can’t manage, what you don’t measure. Um Verbesserungen zu erkennen, müssen Sie die Prozesseffizienz vor und nach der Fehlerprüfung vergleichen. Dies lässt sich mit einem einfachen Durchlauf- & Zykluszeit-Diagramm leicht bewerkstelligen. Wann immer Sie eine Chance sehen, die Dinge noch ein bisschen besser zu machen, ergreifen Sie sie und wenden Sie sie an, aber stellen Sie sicher, dass das Team über alle Änderungen, die Sie vornehmen, auf dem Laufenden ist. Kommunikation ist der Schlüssel zur Funktionstüchtigkeit eines jeden Prozesses und die Voraussetzung für dessen Verbesserung.