Was ist ein Gemba Walk?
Gemba - 現場, oder Genba, bedeutet auf Japanisch so viel wie “der eigentliche Ort”. Lean-Anwender nutzen Gemba Walks, um strategische Ziele voranzutreiben. Im Gegensatz zu typischen westlichen Managementmodellen, wo Führungskräfte in ihren “Elfenbeinbüros” den Mitarbeitern fernbleiben, ermutigt Lean, vor Ort (auf Gemba) zu gehen und zu beobachten, zu lernen, mit den Teams in Kontakt zu treten und Hilfe anzubieten. Aber was macht man auf einem Gemba Walk und wie können Kanban-Nutzer von diesem hervorragenden Hilfsmittel profitieren – abgesehen von ein wenig körperlicher Betätigung?
Wie macht man einen Gemba Walk?
Sie beobachten die Fakten und fragen, warum die Dinge so ablaufen, wie sie ablaufen. Der Gemba Walk basiert auf Fakten. Was geschieht am Arbeitsplatz? Wer ist überlastet und wer steht untätig herum?
Schritt 1: Teilen Sie dem Team vorzeitig mit, was Sie tun werden
Die meisten Anwender teilen die Ansicht, dass es sinnvoll ist, dem Team im Voraus mitzuteilen, dass ein Gemba Walk stattfinden wird. Nicht, um ihnen zusätzlichen Stress aufzuerlegen oder atypisches, erzwungenes Verhalten zu verursachen, sondern damit das Team versteht, dass der Zweck des Gemba Walks die Beobachtung ist, wie der Prozess im Alltag regulär abläuft. Sagen Sie dem Team, dass Sie für ein Gespräch zur Verfügung stehen!
Schritt 2: Seien Sie vorbereitet
Es empfiehlt sich, einen Plan zu haben: Auf welche Aspekte des Prozesses wollen Sie achten? Welche Fragen wollen Sie dem Team stellen? Nach welchen Informationen suchen Sie? Auch wenn Sie nicht immer die Antwort auf diese Fragen parat haben werden, helfen sie Ihnen, Sie davon abzuhalten, ziellos durch die Fabrik oder die Büroräume zu laufen!
Wenn Sie einen Plan für Ihren Gemba entwerfen, konzentrieren Sie sich am besten zunächst auf den Wertstrom(Wertschöpfungskette). Wenn er Ihnen bekannt ist, folgen Sie dem Wertstrom Schritt für Schritt z. B. entlang der Fertigungsstraße, um Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Falls Sie ihn noch nicht festgelegt haben, hilft Ihnen Gemba ebenfalls dabei. Schauen Sie sich an, was in den einzelnen Prozessschritten geschieht, welcher Mehrwert dem Kunden entsteht, und lernen Sie von den Teammitgliedern, wie ihre Arbeit erleichtert und effektiver gestaltet werden könnte.
Schritt 3: Gehen Sie dorthin, wo die Arbeit getan wird und beobachten Sie sie
Entscheidend ist, dass man sich an den wahren Ort des Geschehens begibt und beobachtet. So kann man die Arbeitsabläufe besser nachvollziehen, indem man ihn mit eigenen Augen sieht. Auch wenn es, wie dargestellt, der wichtigste Schritt ist, muss es nicht zwangsläufig der erste Schritt sein, wenn Sie die bestmöglichen Ergebnisse erzielen wollen.
Schritt 4: Respektieren Sie Ihre Mitarbeiter, urteilen Sie nicht
Wichtig ist es, die Arbeitnehmer nicht zu beurteilen oder zu überwachen. Der Gemba Walk ist kein Vorwand, um Mitarbeiter, die am Arbeitsplatz schlafen, zu bespitzeln, wenngleich das untersagt ist. Eine Führungskraft bei einem Gemba Walk würde sich vielmehr fragen, weshalb schlafen die Leute bei der Arbeit, sind sie überlastet oder haben sie gerade keine Arbeit? Der Respekt vor den Menschen, die mit Ihnen oder für Sie arbeiten, ist nur einer der Punkte, in denen Gemba und Agile perfekt zusammenpassen. Der Gemba Walk sollte Ihnen weitere Einblicke in das geben, was Sie bereits auf Ihrem Kanban-Board gesehen haben. Falls Sie auf Ihrem Board Engpässe feststellen, sollten Sie auch in Praxis auf diese stoßen.
Schritt 5: Wissensarbeit – wo genau ist der Gemba?
Ohne den Stellenwert außer Acht zu lassen, den ein Besuch im Büro des Entwicklungsteams hat: Um sich ein Bild davon zu machen, was Ihr Team gerade tut, und um zu erfragen, wie der Arbeitsprozess abläuft (was oft viel darüber aussagt, ob der Prozess wirklich funktioniert oder nicht), werden Sie mitunter noch mehr Informationen erhalten, wenn Sie einen Blick auf das Kanban-Board des Teams werfen. Das liegt daran, dass das Kanban-Board in wissensbasierten Prozessen den eigentlichen Arbeitsort – Gemba – visualisiert und repräsentiert.
In kreativen, immateriellen Anwendungsbereichen wie der Software-Entwicklung, Content Creation oder wissenschaftlichen Forschung findet der eigentliche Arbeitsprozess in den Köpfen und nicht am Schreibtisch statt, obwohl die Menschen natürlich in der Regel an ihren Arbeitsplätzen sitzen. Hier kommt ein visuelles Tool wie das Kanban-Board ins Spiel, das den vollständigen Prozess in einzelnen Schritten visualisiert. So können Sie sich einen Überblick über den Wertstrom verschaffen, sehen, in welchem Stadium sich Aufgaben befinden, welcher Schritt in der Regel am schwierigsten ist, wo eventuell mehr Ressourcen benötigt werden usw.
Wussten Sie schon?
Kanban Tool® ermöglichen es den Teams, einen Workflow zu erstellen, der genau auf ihren Prozess passt und die wiederkehrenden Arbeitsschritte standardisiert. Probieren Sie es zusammen mit Ihrem Team aus, um einen direkten Zugang zu ihren Arbeitsabläufen zu bekommen!
Schritt 6: Ziehen Sie Ihre Schlussfolgerungen und nehmen Sie Änderungen vor
Wird dieser Schritt ausgelassen, dann wird die Intention Ihres Gemba auf das Eindringen in den Arbeitsbereich des Teams zurückgeführt. Sobald Sie gelernt haben, wie die Arbeitsabläufe aussehen, welche Schwierigkeiten dabei auftreten und was die Wertschöpfung behindert, erarbeiten Sie einen Maßnahmenplan, um Abhilfe zu schaffen. Stellen Sie sicher, dass er ausreichend detailliert ist, damit die Änderungen auch umgesetzt werden können. Bleiben Sie nicht bei der Feststellung stehen: Sie müssen mehr darauf achten, wie Sie Ihren Code testen. Seien Sie spezifisch, setzen Sie konkrete Ziele und überprüfen Sie, ob diese erreicht werden.
Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Ihren Gemba auf einen Arbeitsbereich pro Sitzung zu beschränken. Andernfalls wird Ihr Maßnahmenplan zu umfangreich und Veränderungen laufen ins Leere. Lieber einen schrittweisen Wandel als eine Revolution, die die Moral, die Produktivität und den Profit auf einen Schlag beeinträchtigen könnte.
Beispiel In einer Holzwerkstatt konnte ein Manager auf einem Gemba Walk die nachstehenden Gegebenheiten beobachten:
- Mitarbeiter tragen große Holzstücke von einem Ende der Fabrik zum anderen.
- Mitarbeiter, die das Inventar verwalten, stehen oft untätig herum und warten darauf, dass die Transportarbeiter mit Material vorbeikommen.
- Die Kollegen vom Fertigungsteam verbringen etwa ein Drittel ihrer Zeit mit der Suche nach Werkzeugen für die Holzbearbeitung, verstreut an verschiedenen Stationen in der Fabrikhalle.
Nach diesen beiläufigen Beobachtungen könnte der Manager das Team dann fragen, warum dies geschieht. Diese werden vielleicht erklären, dass die Holzlieferung am Eingang der Fabrik abgesetzt wird, weil es keinen Zugang zur Rückseite der Fabrik gibt. Der Vorarbeiter könnte erläutern, dass die schweren Zerspanungswerkzeuge die leistungsstarken Steckdosen benötigen, die sich nur an der Rückseite der Fabrik befinden.
Der Manager würde dann die Zeit messen, die die Mitarbeiter benötigen, um die Halle zu durchqueren, und entscheiden, dass sie durch die Installation leistungsstarker Netzsteckdosen am Eingang der Fabrik drei Stunden pro Tag einsparen können. Durch diese Änderung könnte der Manager den Durchsatz verbessern und die Verschwendung reduzieren (in diesem Fall die unnötig verbrauchte Transportenergie der Arbeiter). Innerhalb einer Woche nach dieser Änderung würde der Manager feststellen, dass sich die Durchlaufzeit auf seinem Kanban-Board verringert hat, da der Prozess viel schneller und auch sicherer abläuft.
Worauf müssen Sie achten?
Es gibt keinen einzig wahren Weg, wie man einen Gemba Walk durchführt. Trotzdem gibt es einige wichtige Punkte, auf die Sie achten sollten:
- Erfolgt die Arbeit in einer standardisierten Art und Weise, oder holen die Mitarbeiter nur zufällige Aufgaben ab?
- Wie übersichtlich ist die Arbeitsumgebung? Wie aufgeräumt ist sie? Wie oft stoßen Arbeitnehmer auf Objekte, die dort nicht sein sollten oder nicht vorgesehen waren? Dies gilt sowohl für physische als auch für immaterielle Arbeitsumgebungen. Müssen sich die Mitarbeiter durch eine Menge irrelevanter Informationen wühlen, um den gesuchten Inhalt zu finden?
- Ist das Arbeitsumfeld sicher oder drohen irgendwelche potenziell gefährlichen Unfälle? Bekommen Nachwuchsentwickler Zugang zu Ihrem Produktions-Code, werden private Dokumente in frei zugänglichen Schränken aufbewahrt usw.
- Gibt es viel Bewegung, ohne viel Resultate zu erzielen? Achten Sie auch auf unnötige Dienstreisen, Laufwege, Meetings oder Berichte.
- Sprechen Sie mit den Beschäftigten, seien Sie interessiert. Warum tun sie, was sie tun? Welche Probleme haben sie, die für einen Außenstehenden nicht erkennbar sind? Manchmal muss man einfach fragen!
- Gibt es dabei viel Leerlaufzeit? Wie viel Zeit verbringen die Menschen damit, einfach darauf zu warten, dass etwas passiert, dass der vorherige Prozessschritt abgeschlossen wird, dass eine Aufgabe genehmigt wird usw.?
- Warten Arbeitnehmer auf Maschinen oder warten Maschinen auf Arbeitnehmer? Während Letzteres akzeptabel ist, sollte Ersteres niemals akzeptiert werden. Mitarbeitern Zugang zu effizienten und robusten Hilfsmitteln zu geben, ist nicht nur ein Argument, um neue Mitarbeiter für das Unternehmen anzuwerben. Vielmehr ist es erforderlich, dass sie Ihren Prozess leistungsfähig und frei von Frustration halten.
- Sind ausgewiesene Bereiche klar gekennzeichnet, oder ist in einem wissensbasierten Umfeld der Zugang zu Informationen für die Beschäftigten jederzeit möglich? Wissen sie, wohin sie sich wenden können, um Informationen darüber zu erhalten, wo oder wen sie um Hilfe bitten können?
Egal, was Sie tun – schicken Sie niemals Ihren Untergebenen, um für Sie zu beobachten. Sie als Führungskraft sollten an der Kohlengrube, wo Ihr Produkt hergestellt wird, dabei sein und sehen, was tatsächlich geschieht. Wahrscheinlich werden Sie durch die Verbesserungen, die Sie damit erreichen können, viel Geld sparen und dabei Ihr Team etwas besser kennenlernen. Happy walking!