Kanban in der Fertigung: 3 Erfolgsgeschichten

Kanban in der Fertigung

Lean ist eine Unternehmensphilosophie, die die Kanban-Methode zur Arbeitsorganisation einsetzt. Kanban, als ein Pull-System, gestaltet Fertigungsprozesse um; weg von großen Chargen und Nachfrageprognosen hin zur bedarfsgerechten Nachlieferung von Gütern, wenn diese verbraucht werden – und zwar Just-in-Time.

Es wurde bei Toyota entwickelt und revolutionierte dort die Produktion. Aber haben in den vergangenen 20 Jahren nicht auch zahlreiche andere Unternehmen von den Vorteilen von Kanban und Lean profitiert? Und macht die gemeinsame Nutzung großer ERP-Anwendungen, wie etwa SAP, Kanban überflüssig? Antwort: Ja dahingehend, dass Kanban immer noch Vorteile bringt, und ein klares Nein im Hinblick darauf, dass ERPs Kanban ersetzen.

Nike Nike setzt auf Gemba

Durch die Umsetzung der Lean- und Kanban Prinzipien avancierte Nike vom Nachzügler zum Kundenliebling.

In den späten 1990er-Jahren hatte Nike schlechte PR, als ihre Fertigungsbedingungen und der Umgang mit den Arbeitern ans Licht kam. Berichten zufolge wurden in den Zulieferbetrieben von Nike lange Arbeitszeiten, minderjähriges Personal und eine schlechte Luftqualität nachgewiesen, was zu einem öffentlichen Boykott ihrer Produkte und damit zu einem Umsatzrückgang von bis zu 8% führte. Der Nike-Boykott war so einschneidend, dass viele ihn noch heute zum Beispiel nehmen, was öffentlicher Druck auf Unternehmen auslösen kann.

Nike sandte eine ihrer Spitzenkräfte, Jill Ker Conway, in ihre ausländischen Fabriken. Sie führte zum ersten Mal Gemba Walks durch, machte sich persönlich ein Bild von den Bedingungen und führte umfangreiche Mitarbeiterbefragungen durch, um den Alltag in den Fabriken zusammenzutragen.

Auf dieser Grundlage verpflichtete sich das Management von Nike zu einem Lean-Training und zur Umgestaltung ihrer Produktionslinien, wobei ihr Schwerpunkt vor allem auf der Verbesserung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Führungskräften lag. Innerhalb von nur zwei Jahren hatte sich die Erfüllungsquote beim Beschäftigungsstandard um 15% erhöht.

Nike baute die Überstunden in seinen Zulieferbetrieben ab und verbesserte die Entlohnung der Fabrikarbeiter. Dies geschah u. a. dadurch, dass sie verspätete Bestellungen und plötzliche Materialumstellungen vermieden. Dies führte zu einer Arbeitsstandardisierung und einer nachhaltigeren Arbeitsauslastung, die die Grundlage für ein Kanban-Pull-System bilden. Die Lean-Initiative war so effektiv, dass Nike neue Maßstäbe für das betriebliche Allgemeinwohl in der Branche setzte und sich dazu verpflichtete, all seine Fertigungsstätten auf seinen Nachhaltigkeitsindex zu heben.

Mit über einer Million Mitarbeitern in der Produktion und einer halben Million Produkte zeigt das Nike-Beispiel, dass Lean unabhängig von der Unternehmensgröße den Produktionsprozessen zugutekommen kann. Zudem hat sich durch die Anwendung von Lean und Kanban die Innovationsfähigkeit verbessert.

Eine Grundregel von Kanban lautet, den Wertstrom eines Unternehmens zu bewerten, um Verschwendung zu identifizieren und zu minimieren. Bei Nike ging man noch einen Schritt weiter und nutzte Abfälle, um ein neues Produkt namens Nike Grind herzustellen. Das Produkt ist nun seit 20 Jahren erfolgreich: Es nutzt Abfälle aus Altprodukten, die von Kunden recycelt werden, um Trainingsböden für Sportstätten herzustellen.

Lean- und Kanban-Praktiken bei Jaguar

Die Kosten für Produktverzögerungen in der Automobilindustrie sind enorm. So wurde z. B. berechnet, dass Ford durch Produktverzögerungen und Qualitätsmängel rund 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr verliert. Deshalb unterstützte die Jaguar Land Rover Automotive die Idee, als Hamish McMinn, ein Projektmanager bei Jaguar, erwähnte, dass er durch Kanban und die Implementierung von Kleinserien die Zeit bis zur Markteinführung neuer Produkte erheblich verkürzen könne.

Noch bis 2014 brauchte Jaguar über 12 Wochen, um Feedback zu Designkonzeptentwürfen einzuholen. Diese Wissensarbeit war kostspielig, denn jede Aktualisierung erzeugte wieder mindestens 12 Wochen Wartezeit. Sie reduzierten die Losgrößen, die für das Feedback erstellt wurden. Gemäß der Idee des Minimum Viable Product (MVP) gaben sie zudem nur die Informationen weiter, die die Beteiligten für ihre Entscheidung wirklich benötigten. Dadurch reduzierten sich die Feedback-Schleifen von 12 Wochen auf nur wenige Tage.

Das Pilotprojekt wurde ein solcher Erfolg, dass bis Ende 2016 zehn weitere Kanban-Programme bei Jaguar liefen. Diese Änderungen führen nicht nur zu kürzeren Lieferzeiten, sondern auch zu Qualitätsverbesserungen, denn die Entwicklungsteams schrumpften um 30%. Während der morgendlichen Stand-ups konzentrierten sich die Design-Teams auf ihre Kanban-Boards, um den Arbeitsdurchfluss zu maximieren.

Jaguar blieb nicht bei der Produktentwicklung stehen, sondern betrachtete ihre gesamte Wertschöpfungskette. Der Hersteller wurde mit Lean so erfolgreich, dass er begann, Lean Experience Days anzubieten. In ihrem Werk in Halewood zeigen sie Geschäftsleuten, wie sie von Lean profitieren können.

Phase 2 - ERP dem Kanban unterordnen

Phase 2 (jetzt NextPhase Medical Devices) ist ein Hersteller von medizinischen Geräten mit Fokus auf die Verbesserung ihrer Herstellungsmethoden durch Erhöhung von Qualität und Durchsatz – und das stets innerhalb der Zielkosten. Um dies zu erreichen, bewerteten sie ihr Unternehmen am QTK-Dreieck (Qualität, Termin/Zeit, Kosten), um den Kunden ihr Qualitätsbewusstsein zu zeigen, was in der Folge zu mehr Umsatz führte.

Dank des Erfolgs ihrer Initiative wurde ihre Lagerfläche durch die steigende Produktnachfrage knapp. Da sie sich bereits zu Lean bekannten, konzentrierten sie sich auf die Frage, wie sie den Bedarf ohne Vergrößerung der Lagerfläche decken könnten, um die Geschäftstätigkeiten weiter zu optimieren.

Die Herausforderung war ihr ERP-System, das oft in direkter Opposition zu ihrem Kanban-System agierte. ERP-Systeme, wie z. B. SAP, begünstigen oft die Verarbeitung großer Fertigungslose, da es Lieferkosten und logistische Herausforderungen reduziert. Kanban jedoch bevorzugt kleinere Chargen, da es sich rein an der Nachfrage orientiert. Daher beauftragte Phase 2 ein Softwareunternehmen mit der Zusammenführung der beiden Systeme zu einem gemeinsamen Dashboard.

Anschließend führte das Unternehmen tägliche Stand-up-Meetings durch, bei dem ein Supply-Chain-Mitarbeiter das Dashboard präsentierte, um sicherzustellen, dass stets die richtigen Bestellungen ausgelöst wurden. Dies führte zu einer Erhöhung des Materialflusses, wodurch der Lagerbestand um 33% reduziert werden konnte. Dadurch wurde ein weiteres Lager überflüssig.

Fazit

Lean Management und damit Kanban ist eine Reise: Kein Unternehmen kann für sich in Anspruch nehmen, alle möglichen Vorteile der Methode bereits genutzt zu haben, denn der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist nie abgeschlossen. Aber diese drei Beispiele zeigen, wie der Einsatz von Lean und Kanban bei der Transformation der Arbeitsorganisation von einem Push- in ein Pull-System dramatische Verbesserungen bewirken kann. Jedes dieser Unternehmen verbesserte seine Arbeitsbedingungen und die Qualität ihrer Produkte, ohne die Arbeitszeit des Personals zu verlängern. Und sie verbessern sich weiter.

Einige der Vorteile, die diese Unternehmen durch den Einsatz von Kanban erreicht haben, sind:

  • Umsatzwachstum
  • Reduzierung der Durchlaufzeiten und schnellere Markteinführung
  • Erhöhte Erstausbeute
  • Erhöhte Kundenakzeptanz und größeres Vertrauen
  • Zufriedenere und produktivere Mitarbeiter
  • Reduzierung der Fehlerrate und der damit verbundenen Fehlerkosten
  • Reduzierung der Produktionsschwankungen
  • Bis zu 100% höhere Erfüllung der zugesagten Lieferzeiten
  • Reduzierung der Personalkosten
  • Erhöhung des ROI durch eine Reduzierung der Investitionsausgaben
  • Reduzierung der Amortisationszeiten
  • Steigerung des Arbeitsschutzes und der Sicherheit
  • Reduzierung der Umweltbelastung
  • Innovationssteigerung