Veranschaulichung des Workflows

Veranschaulichung des Workflows

Visualisierung ist der entscheidende Aspekt der Kanban-Methode. Der wahrscheinlich triftigste Grund, warum die Kanban-Methode einen unmittelbaren Einfluss auf ein Team hat, ist die Transparenz, die sie erzeugt. Wenn alle abzuarbeitenden Aufgaben auf einem gemeinsamen Board sichtbar sind, weiß jeder, was zu tun ist, wer mit welcher Aufgabe beschäftigt ist und – je nach Aufbau des Boards – auch, wann bestimmte Aufgaben erledigt werden sollen.

Aus der Sicht des Projektleiters ergibt sich ein vergleichbarer Vorteil: Er sieht, wofür die Ressourcen aufgewendet werden, welche Arbeiten den größten Zeitaufwand für das Team darstellen, und – ganz wichtig – er kann Engpässe in den Prozessen erkennen und diese beheben.

Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum der Einstieg in Kanban mit der Prozessvisualisierung beginnt: Sie müssen ein gutes Verständnis dafür bekommen, wie Sie derzeitig arbeiten, und die Gründe herausfinden, warum die Dinge auf diese bestimmte Art und Weise getan werden, um später in der Lage zu sein, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wie Sie sich verbessern können.

Wie visualisieren Sie Ihren Workflow?

Der Workflow ist die Sequenz der typischen Schritte, die eine Aufgabe oder ein Produkt ab dem Arbeitsbeginn bis zur Ziellinie durchlaufen muss. Aus einer abstrakteren Perspektive kann der Workflow also als die Abarbeitung alles nötigen Aufgaben zur Erreichung eines Ziels in einer bestimmten Reihenfolge beschrieben werden.

Menschen verarbeiten visuelle Informationen sehr viel besser als andere Formen der Kommunikation. Im Kanban-Kontext bedeutet die Veranschaulichung des Workflows das Einordnen der einzelnen Arbeitsschritte in die Spalten eines Kanban-Boards sowie das Tracken der einzelnen Aufgaben, die diese Schritte durchlaufen. Ihr Prozess kann somit mit nur wenig Aufwand anschaulich gemacht werden. Sie werden überrascht sein, wie selbst die einfache Benennung all Ihrer Prozessschritte Erkenntnisse über Ihren Arbeitsablauf zutage fördern, die Ihnen bisher nicht bewusst waren.

Schritt 1: Identifizieren Sie den Wertstrom (Value Stream)

Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) ist der Prozess, bei dem die Mehrwert-generierenden Aktivitäten benannt werden, die eine Person oder ein Team zum Abschluss einer Arbeit durchführen muss. Unabhängig vom eigentlichen Prozess wird es immer eine Reihe von Aktivitäten geben, die einen Artikel, ein Dokument oder ein Stück Rohmaterial in ein Endprodukt verwandeln, indem Handlungen ausgeführt werden, die den Nutzen des eingesetzten Materials erhöhen.

Der Wertstrom sorgt für Klarheit und liefert eine High-Level-Übersicht. Dadurch wird es einfacher zu wissen, auf welche Tätigkeiten Sie sich konzentrieren bzw. welche minimiert werden sollten, weil sie für den Endkunden keine Bedeutung haben oder Ihren Umsatz nicht steigern und daher als Verschwendung anzusehen sind.

Beispiel Lassen Sie uns einmal den Wertstrom für den Bau eines Stuhls betrachten. Zunächst kauft der Schreiner ein Stück Holz. Dieses Stück Holz wird anschließend gemessen, zugeschnitten, in Form gebracht, zum Stuhl zusammengesetzt und verklebt, um danach gestrichen und verkauft zu werden. Diese Schritte machen aus einem Holzstück im Wert von 5 € einen Stuhl im Wert von 50 €.

Veranschaulichung des Workflows - Beispiel

Schritt 2: Identifizieren Sie den Arbeitsumfang

Sobald Sie den Wertstrom kennen, müssen Sie entscheiden, über welche Teile Sie Kontrolle haben bzw. auf was Sie sich konzentrieren wollen. Genau dies wird anschließend auf einem Kanban-Board veranschaulicht. Sehen Sie den Wertstrom als Ihre Karte an, dann geht es nun also darum, den am häufigsten von Ihnen genutzten Pfad darauf einzuzeichnen. Eine gute Wahl wären hierbei die sich häufig wiederholenden Teile Ihres Wertstroms, für die bestimmte Mitarbeitergruppen verantwortlich sind. Je enger und einheitlicher der Personenkreis ist, der an dem betrachteten Aufgabenfeld beteiligt ist, desto einfacher ist dessen Management. Meiden Sie Prozessschritte einzubeziehen, bei denen die Beteiligten weder Mitspracherecht noch Einfluss haben – denn das führt zu Unsicherheit, Verwirrung und Verzögerung.

Beispiel Ein Wertstrom eines Softwareentwicklungsunternehmens könnte beispielsweise mit Vertragsverhandlungen beginnen, anschließend Programmieren erfordern und mit der Projektdokumentation und schließlich der Übergabe enden. Die Entwickler müssen dabei nicht unbedingt den aktuellen Status des Vertragsverhandlung-Schritts kennen. Die Projektübergabe erfolgt zudem für jedes Projekt nur einmal. Während des Programmierens werden dagegen allerdings viele sich wiederholende Zyklen zur Implementierung von Funktionen und für Tests durchlaufen. Sie könnten sich daher dafür entscheiden, sich lediglich auf den Programmierteil zu konzentrieren. Diesen könnten Sie auf eine Sequenz mit den Schritten ‘Funktion angefordert’ > ‘Programmieren’ > ‘Testen’ > ‘Fertig’ herunterbrechen, die jede durch den Kunden angeforderte Funktion durchlaufen muss.

Schritt 3: Ordnen Sie die einzelnen Workflow-Stadien den Spalten des Boards zu

Sobald Sie den Wertstrom und dessen Umfang identifiziert haben, ist es an der Zeit, das Ganze zu veranschaulichen. Besorgen Sie hierzu zunächst ein Board – das kann ein Standard-Whiteboard, ein elektronisches Kanban-Board oder ganz einfach ein fester Platz an der Wand in Ihrem Büro sein. Legen Sie nun von links nach rechts für jeden Schritt Ihres Workflows eine einzelne Spalte an. Der Name der einzelnen Stadien sollte oben in den Spalten eingetragen werden. Haben Sie separate Teams oder Projekte, die denselben Prozess durchlaufen, dann unterteilen Sie das Board zusätzlich horizontal, indem Sie Swimlanes eintragen. Am Ende sollten Sie so etwas wie die folgende Darstellung erhalten:

Beispiel Leere Kanban-Tafel

Das ist Ihr erstes Kanban-Board. Stellen Sie sicher, dass es einen Platz erhält, an dem sie für alle Beteiligten einfach einsehbar ist. Häufig wird hierzu ein Flur im Büro oder eine Online-Plattform ausgewählt. Nun sind Sie schon fast bereit, Aufgaben in Form von Kanban-Karten auf Ihrem Board darzustellen.

Schritt 4: Definieren Sie die verschiedenen Arbeit-/Aufgabenarten und was „erledigt“ für Sie bedeutet

Sobald das Layout Ihres Kanban-Boards fertig ist, sollten Sie die Arten oder Klassen an Arbeiten/Aufgaben definieren, die diese durchlaufen werden.

Handelt es sich hierbei um physische Produkte, generische Aufgaben oder eine Mischung aus beidem? Was sind die Voraussetzungen für die einzelnen Kategorien? Müssen die abgeschlossenen Arbeiten/Aufgaben abgenommen werden oder bestimmte Standards erfüllen? Darüber hinaus sollten Sie für die Prozessstadien, an denen eine Arbeitsübergabe erfolgt – und besonders für das letzte Stadium – definieren, welche Anforderungen die einzelnen Arten von Arbeit erfüllen müssen, bevor sie als erledigt angesehen werden.

Sobald Sie diese definiert haben, sollten Sie zudem jeder Aufgabenart eine Farbe zuordnen, um die Karten visuell besser voneinander unterscheiden zu können. Teilen Sie dem Team anschließend mit, was die einzelnen Farben bedeuten und wie Sie ‚erledigte Arbeit‘ definieren.

Beispiel In den meisten Fällen haben Softwareentwicklungsteams mit zwei Arten von Arbeit zu tun: ‘Kundenanfragen’ und ‘Problemberichte’. Kundenanfragen werden mit gelben Karten dargestellt und sollten ausschließlich direkt vom Kunden kommen. Rote Karten repräsentieren dagegen Problemberichte und können entweder vom Kunden oder dem internen Team stammen. Für beide bedeutet ‚erledigt‘, dass die Anfrage vollständig abgearbeitet wurde und innerhalb von 15 Tagen keine Beschwerden eingegangen sind.

Beispiel für verschiedenen Arten von Kanban-Karten

Schritt 5: Legen Sie für jede Art von Arbeit eine Kartenvorlage fest

Entscheiden Sie für jede Art von Arbeit, welche Informationen essenziell sind und auf der entsprechenden Karte vorhanden sein sollten. Vergessen Sie nicht, dass es sich bei Kanban-Boards um eine übersichtliche Veranschaulichung handelt. Abgesehen von Kartenfarben, sollten daher außerdem verschiedene Kartenvorlagen für unterschiedliche Arten von Arbeit vorhanden sein, die das Teilen und die Berichterstattung über relevante Informationen erleichtern.

Beispiel Sie könnten beispielsweise entscheiden, dass die wichtigsten Informationen für „Kundenanfragen“ eine Kopie der ursprünglichen Anfrage, das erwartete Lieferdatum und das Budget sind. Für „Problemberichte“ könnten die wichtigsten Informationen dagegen eine detaillierte Beschreibung des Problems umfassen (mit einer Liste an Schritten für die Reproduktion des Problems sowie Details dazu, wie viele Personen das Problem gemeldet haben).

Beispiel für ein Kanban-Kartentemplate

Schritt 6: Tragen Sie die einzelnen Aufgaben in die Kanban-Karten ein

Mittlerweile sollten Sie die Farben und Formate der Karten festgelegt haben und somit beginnen können, Ihre Arbeit zu veranschaulichen. Nehmen Sie sich daher ein paar farbige Karten, formatieren Sie sie auf die gewünschte Weise und tragen Sie (jeweils auf einer separaten Karte) die einzelnen Aufgaben ein.

Befestigen Sie die Karten nun – je nach dem aktuellen Bearbeitungsstand, indem sie sich befinden – in den relevanten Spalten des Boards. Ordnen Sie die Karten in den einzelnen Spalten schließlich nach ihrer Priorität. Die wichtigste Karte sollte dabei ganz oben liegen – gefolgt von der zweitwichtigsten, der drittwichtigsten usw. Diese Anordnung löst das klassische Priorisierungsproblem „wenn alles wichtig ist, dann ist eigentlich nichts wichtig“.

Beispiel Beispiel eines Kanban-Boards

Schritt 7: Tracken Sie den Arbeitsfluss und überprüfen Sie den Prozess regelmäßig

Das Tracken des Status der einzelnen Aufgaben, die den Prozess durchlaufen, ermöglicht es Ihnen, Engpässe und Hindernisse zu identifizieren und die Stellen zu finden, an denen Ihr Team zu viel Zeit und Energie investiert. Aus diesem Grund ist es wichtig, das Board dort aufzustellen, wo es wirklich für jeden zugänglich ist. Der offene Zugang zum Kanban-Board wird die Kommunikation des Teams verbessern und sicherstellen, dass jeder die Verantwortungen und die Kapazität der einzelnen Teammitglieder kennt.

Haben Sie außerdem ein Auge auf die Veränderungen des Prozesses, die sich früher oder später einschleichen werden. Damit das Board langfristig ein effektives und hilfreiches Tool bleibt, muss es unbedingt aktuell sein. Sollte sich der Prozess also verändern, dann muss auch das Board entsprechend angepasst werden. Auf diese Weise sorgen Sie dafür, dass die Veranschaulichung jederzeit den tatsächlichen Arbeitsprozess widerspiegelt. Schließlich kann es Ihrem Team nur so behilflich sein, statt lediglich zu einer weiteren bedeutungslosen Maßnahme des Managements zu werden.

Abgesehen von der Prozess- und Statustransparenz, der einfacheren Kommunikation, der rechtzeitigen Erkennung von Engpässen und der Einsicht in potenzielle Bereiche zur Verbesserung von Abläufen, schafft die Visualisierung der Arbeitsabläufe – ob von Teams oder Einzelpersonen – auch eine greifbare und replizierbare Beschreibung der Vorgehensweise bei bestimmten Projekttypen. Dies kann den Planungsaufwand für neue Vorhaben erheblich verringern und dank verfügbarer historischer Vorlagen deutlich erleichtern.

Angesichts der Bedeutung der Visualisierung Ihrer Arbeitsabläufe sind Sie vielleicht versucht, Ihre Kanban-Implementierung hier nicht weiter fortzuführen (manche Teams tun das), aber dadurch entgehen Ihnen möglicherweise einige weitere Vorteile der Methode. Bitte lesen Sie den übrigen Teil der Kanban-Grundlagen, um mehr zu erfahren.